Tablet mit Daten einer Sporttherapie, im Hintergrund ein Laufender

Biomechanische Gang- und Laufanalyse

Die klinische Ganganalyse ist das Standardassessment in der Praxis zur Beurteilung des menschlichen Ganges und seiner Abnormitäten. Sie spielt in der neurologischen und orthopädischen Diagnostik und Rehabilitation (z. B. Verlaufskontrolle) eine wesentliche Rolle. 

In unserem Labor kommen hochwertige und wissenschaftlich geprüfte Ganganalysesysteme zum Einsatz, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen.

Pedobarographie (emed/novel/München)

Die Pedobarographie beinhaltet eine dynamische Messung der Kraftverteilung des Fußes während des Gangzyklus. Damit können während des Gehens auftretende mittlere und maximale Kräfte und Drücke im Vor-, Mittel- und Rückfußbereich gemessen werden. Neben der Druck- und Kraftverteilung werden darüber hinaus auch geometrische Parameter (z. B. Fußabrollwinkel, Hallux-Winkel, Fußlänge, Fersen- und Vorfußbreite) erfasst. 

Klinisch wird die Pedobarographie als objektives Analyseverfahren der biomechanischen Funktion des Fußes, insbesondere bei Beschwerden im Fußbereich, eingesetzt. Hervorzuheben ist, dass die Analyse der funktionellen Auswirkungen der Pathologien des Fußes vor geplanten operativen Rekonstruktionen gemessen und damit Einfluss auf das operative Vorgehen genommen werden kann. Damit ist die Pedobarographie ein essentieller Bestandteil der operativen Planung und dient der Dokumentation des Korrekturergebnisses. 

Die Messwertaufnahme erfolgt auf einer Gangbahn (Abb. 1a-b) in die eine Kraftmessplatte (Sensordichte: 4 Sensoren/cm², Abtastfrequenz: 400 Hz) eingelassen ist. 

Abb. 1a-b: Gangbahn mit integrierter Kraftmessplatte für Pedobarographie - Messsituation

Abb. 2a-b: Plantare Kraft- und Druckverteilung (a) sowie geometrische Parameter im Überblick (b)

Aus funktioneller Perspektive liefert die Pedobarographie Erkenntnisse bezüglich:

  • der Quantifizierung einer veränderten Lastverteilung unter dem Fuß,
  • der Beschreibung der lokalen Gewebebelastung anhand des Parameters Druck,
  • der Quantifizierung der Funktion der Fußstrukturen auf der Basis lokaler Kraftwerte. 

  

Abb. 3a-c:    Prä- und postoperative Pedobarographiebefunde einer Plattfußdeformität (a) und Hallux valgus Deformität (b)

Mobile, apparative Ganganalyse (RehaGait/HASOMED/Magdeburg)

Inertialsensorbasierte Gang- und Laufanalysesysteme (Abb. 4) ermöglichen die Beurteilung des Gehens und Laufens auch außerhalb von Bewegungsanalyselaboren (Abb. 5a-b). Das mobile Messsystem RehaGait erfasst Gang- und Laufparameter mittels Inertialsensoren. Jeder Inertialsensor enthält ein Drei-Achsen  Accelerometer (Messbereich: ± 16 g), ein Drei-Achsen Gyroskope (Messbereich: ± 2000 °/s) und ein Drei-Achsen Magnetometer (Messbereich: ± 1,3 Ga). Die Sensoren sind als MEMS (Micro-Electro-Mechanical System) aufgebaut (Abtastfrequenz: 600 Hz). Die Messdaten werden von den Sensoren via Bluetooth an den Tablet-PC übertragen. Die Messung muss auf hartem, ebenen Untergrund stattfinden und sollte mindestens acht Doppelschritte beinhalten.  

 

Abb. 4a-b:   Das inertialsensorbasierte Gang- und Laufanalysemesssystem RehaGait

In Ergänzung und Abgrenzung zur Pedobarographie lassen sich mit RehaGait auf der Basis der gemessenen Beschleunigungen (Accelerometer) und Winkelgeschwindigkeiten (Gyroskope) räumlich-zeitliche Gangparameter (z. B. Doppelschrittlänge, Kadenz), Gangphasen (z. B. Standphase, Doppelstand) und Ortsparameter (z. B. Fußhöhe, Abrollwinkel) berechnen. Außerdem sind mittels Symmetrieberechnungen Aussagen zur Links-Rechts-Verteilung bei bilateralen Parametern möglich. 

Ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal dieses Messsystems ist indes die Möglichkeit, die Messdaten mit alters- und körpergrößenadjustierten Referenzwerten (n=1860) abzugleichen, was die Interpretation der Daten wesentlich qualifiziert.

Überdies wurde das Messsystem in Kooperation mit der Firma HASOMED (Magdeburg) in sechsjähriger Forschungstätigkeit umfassend wissenschaftlich evaluiert und die Forschungsergebnisse hochwertig publiziert (siehe Publikationen Ganganalyse).

Stationäre, apparative Ganganalyse (FDM-T System/zebris Medical GmbH/Isny)

Ähnlich der vorgestellten Pedobarographie ermöglicht das von uns verwendete Laufband die Messung dynamischer Gangparameter. Die während des Gehens oder Laufens auftretenden mittleren und maximalen Kräfte und Drücke lassen sich ebenfalls differenziert für den Vor-, Mittel- und Rückfußbereich angeben. Zusätzlich werden, vergleichbar mit RehaGait, räumlich-zeitliche Parameter (Fußrotation, Doppelschrittlänge, Schrittweite, Kadenz) und Phasen (z. B. Standphase, Doppelstand) erfasst. Eine zweidimensionale Videoanalyse ermöglicht zudem eine qualitative Befundung des Ganges.

Abb. 5a-c:Gang- und Laufanalyse auf Laufband - Messwerterhebung und Datenanalyse mittels FDM-T System

Die Messwertaufnahme erfolgt auf einem Laufband mit integrierten Drucksensoren (Sensordichte: 1,4 Sensoren/cm², Abtastfrequenz: 300 Hz) und zweidimenionaler, synchronisierter Videoanalyse. 

Vorteil der Messwertaufnahme auf dem Laufband ist die Möglichkeit der Standardisierung der Untersuchungsbedingungen (Gang- und Laufgeschwindigkeit). 

Nachteil ist die ungewohnte Testsituation für den Patienten, die zu einer Beeinflussung des Gangbildes/Laufstiles führt. Infolgedessen ist das Laufband sehr gut für den Rehabilitationsprozess und die Diagnostik von Sportlern, jedoch nur bedingt für die Diagnostik von Patienten geeignet.

 

 

Alle vorgestellten Messsysteme zeichnen sich durch eine hohe Praktikabilität und geringe Patientenbelastung (Messdauer: ca. 5 min) aus. Dies qualifiziert die Assessments sowohl für den Einsatz in der klinischen als auch wissenschaftlichen Praxis. Darüber hinaus wird der Gang des Patienten durch die verwendete Gangbahn (Pedographie) oder die am Fuß angebrachten Sensoren (RehaGait) nicht beeinflusst, womit eine hohe Validität der Messungen, insbesondere bei Patientenkollektiven, gewährleistet wird.

Kombiniert lässt sich mit den drei Ganganalysesystemen die Kinematik und Dynamik des Ganges sehr gut quantitativ und qualitativ abbilden und infolgedessen ein hoher Erkenntnisgewinn für die Gestaltung des Rehabilitationsprozesses erzielen. Gleichsam sind wir mit den drei vorgestellten Messsystemen in der Lage, die Patienten sowohl unter natürlichen Bedingungen (z. B. Flur/RehaGait) als auch auf der Gangbahn (Pedographie/novel) oder dem Laufband (FDM-T System) zu testen.

Publikationen

Schwesig R, Kauert R, Wust S, Becker S, Leuchte S (2010). Reliability of the novel gait analysis system RehaWatch. Biomed Tech, 55, 109-115.

Fischer D, Leuchte S, Schwesig R (2011). Einfluss der Ganggeschwindigkeit auf ausgewählte Gangparameter. Praxis Physiotherapie, 4, 228-233.

Schwesig R, Leuchte S, Fischer D, Ullmann R, Kluttig A (2011). Inertial sensor based reference gait data for healthy subjects. Gait Posture, 33, 673-678.

Schwesig R, Zimmer J, Fischer D, Hofmann M, Leuchte S (2013). Effect of running speed on selected running parameters - Reference data collected using the RehaWatch measuring system. Orthopädie-Technik, 64, 28-35.

Schwesig R, Fischer D, Becker S, Leuchte S (2013). Can falls be predicted with gait analytical and posturographic measurement systems? A prospective follow-up study in a nursing home population. Clin Rehabil, 27, 183-190.

Lauenroth A, Schulze S, Ioannidis AE, Simm A, Schwesig R (2017). Effect of an age simulation suit on younger adults – gait performance compared to older adults normal gait. Res Gerontol Nurs, 10, 227-233.

Schulze S, Schwesig R, Edel M, Fieseler G, Delank KS, Hermassi S, Laudner KG (2017). Treadmill based reference running data for healthy subjects is dependent on speed and morphological parameters. Hum Mov Sci, 55, 269-275.

Lauenroth A, Laudner K, Schulze S, Delank KS, Fieseler G, Schwesig R (2018). Treadmill-based reference data for healthy subjects. Dependence on functional and morphologic parameters. Manuelle Medizin, 56, 182-187.

Gutteck N., Panian M., Wohlrab D., Radetzki F., Delank KS., Zeh A. (2013). Pedobarographic results of Girdlestone-Taylor tendon transfer in flexible small toe deformity. Orthopäde, 42, (Epub ahead of print).  

Gutteck N., Wohlrab D., Zeh A., Radetzki F., Delank KS., Lebek S. (2013) Comparative study of Lapidus bunionectomy using different osteosynthesis methods. Foot & Ankle Surg, 19, 218-221.

Gutteck N., Lebek S., Radetzki F., Wohlrab D., Delank KS. (2012). Correction arthrodesis of the proximal interphalangeal joint with wire cerclage for rigid small toe deformities: a prospective study. Orthopäde, 41,  984-988.

Gutteck N., Wohlrab D., Radetzki F., Zeh A., Röllinghoff M., Delank KS., Lebek S. (2013). Is it feasible to rely on intraoperative X ray in correcting hallux valgus? Arch Orthop Trauma Surg, 133, 753-755.

Gutteck N., Lebek S., Zeh A., Wohlrab D., Röllinghoff M., Delank KS. (2013). Subtalare Distraktions-arthrodese mit allogenem Knochenspan. Zeitschrift Fuß & Sprunggelenk, 137-142.

Gutteck N., Zeh A., Wohlrab D., Vasarhelyi A. (2011). One-stage replacement of aseptic loosened MTPI prosthesis with Toefit PlusTM  prosthesis. Orthopäde, 40, 554-558.

Gutteck N., Lebek S., Wohlrab D., Zeh A., Delank KS. (2013). Treatment of aseptic loosened MTPI prosthesis by one-stage revision with ToeFit Plus prosthesis. Arch Orthop TraumaSurg, 133, 11-14.

Schneider I., Zierz S., Schulze S., Delank KS., Laudner KG., Brill R., Schwesig R., (2020). Characterization of gait and postural regulation in late-onset Pompe disease. Applied Sciences, 10, 7001.