Bis heute gibt es für Alzheimerpatienten lediglich Medikamente, die den Krankheitsverlauf symptomatisch beeinflussen und nur klinisch um wenige verzögern. Therapien, die den Gedächtnisverlust substanziell aufhalten oder gar heilen, gibt es bisher nicht.
Die Genetik hat jedoch wesentlich zum Verständnis der Pathophysiologie der Erkrankung beigetragen und geholfen, mögliche kausale Behandlungen zu entwickeln. Gleich mehrere klinische Studien, deren Grundlagen aus dem Verständnis genetischer Risikofaktoren stammen, wurden weltweit, u.a. auch im eigenen Zentrum durchgeführt. Beispielsweise wird Amyloid ß im Gehirn von Patienten mit der Alzheimer Demenz abgelagert. Mutationen im dafür kodierenden Gen auf Chromosom 21 und die Beobachtung, dass Patienten mit Trisomie 21 sehr früh zusätzlich eine Demenz entwickeln, legen eine Beteiligung an der Pathophysiologie nahe.
Dies führte zur Entwicklung von Immunisierungsstudien, an denen wir beteiligt sind bzw. waren. Durch die passive Immunisierung unter Verwendung von Antikörpern gegen Aβ-Plaques (Solanezumab, Bapineuzumab) konnte jedoch weder eine signifikante Reduktion der Plaquemenge noch eine Verbesserung der kognitiven Leistung bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer Demenz erreicht werden (Doody et al. 2014, Salloway et al. 2014). Zusätzlich wurde bei etwa 10% der behandelten Patienten Abnormalitäten mit Ödemen/Blutergüssen (ARIA-E) festgestellt (Liu et al. 2018).
Effect of Passive Immunization on the Progression of Alzheimer’s Disease: LY2062430 versus Placebo (H8A-MC-LZAN).
A Phase 3, multicenter, randomized, double-blind, placebo-controlled, parallel-group efficacy and safety trial of Bapineuzumab (AAB-001, ELN115727) in subjects with mild to moderate Alzheimer Disease who are Apolipoprotein E epsilon4 carriers/non-carriers.
Salloway S, Sperling R, Fox NC, Blennow K, Klunk W, Raskind M, Sabbagh M, Honig LS, Porsteinsson AP, Ferris S, Reichert M, Ketter N, Nejadnik B, Guenzler V, Miloslavsky M, Wang D, Lu Y, Lull J, Tudor IC, Liu E, Grundman M, Yuen E, Black R, Brashear HR, Bapineuzumab 301 and 302 Clinical Trial Investigators. (2014) Two phase 3 trials of bapineuzumab in mild-to-moderate Alzheimer's disease. N Engl J Med. Jan 23;370(4):322-33.
Liu E, Wang D, Sperling R, Salloway S, Fox NC, Blennow K, Scheltens P, Schmidt ME, Streffer J, Novak G, Einstein S, Booth K, Ketter N, Brashear HR; ELN115727-301/302 Investigator Group (2018) Biomarker pattern of ARIA-E participants in phase 3 randomized clinical trials with bapineuzumab. Neurology. Mar 6:90(10):e877-e886.
Amyloid ß Ablagerungen im Gehirn können nicht-invasiv im Gehirn mittels bildgebender Verfahren nachgewiesen und diagnostisch eingesetzt werden:
An open-label, non-randomized, multi-center study to optimize image assessment and evaluate the efficacy and safety of BAY94-9172 (ZK6013443) PET tomography for detection/exclusion of cerebral beta-amyloid in patients with probable Alzheimer’s disease compared to healthy volunteers.
Eine Behandlungsstudie mit dem Ziel, das Fortschreiten der Alzheimer Demenz zum Stillstand zu bringen, beruhte auf der Beobachtung, dass Mutationen in den Genen Presenilin 1 und 2 (Teile des Gammasekretasekomplexes) in Familien mit der Alzheimer Demenz gefunden wurden. Später wurde gezeigt, dass diese an der fehlerhaften Spaltung des ß-Amyloidvorläuferproteins beteiligt sind. Diese Beobachtung führte zu der Hypothese, dass eine Hemmung dieser Enzyme zur Verhinderung der Spaltung des ß-Amyloidvorläuferproteins und damit zu einer Reduktion der pathologischen Plaqueablagerung führen könnte. Auch diese Studie konnte jedoch keine signifikanten Verbesserungen zeigen, wobei sich in weiteren Untersuchungen herausstellte, dass die Grundannahme zur Wirkweise der Substanz (Hemmung der Gammasekretase) nicht vollständig erfüllt war (Tagami et al. 2017).
Effect of gamma-Secretase Inhibition on the Progression of Alzheimer’s Disease: LY 450139 vs. Placebo (H6L-MC-LFAN).
Trotz der bislang noch unbefriedigenden Ergebnislage, zeigen diese Beispiele deutlich, dass die Genetik durch die Identifizierung von Genen, die an der Pathophysiologie beteiligt sind, wesentlich zur Entwicklung putativ kausaler Behandlungen und innovativer diagnostischer Verfahren beitragen könnte. Mit der Methode, genomweit nach Assoziationen mit Risikogenen zu suchen, wurde möglicherweise ein weiterer wesentlicher Schritt getan, um an der Pathophysiologie beteiligte Gene zu finden und damit die Möglichkeiten putativ kausaler Therapien zu erweitern.
Im Folgenden eine Zusammenstellung der durchgeführten klinischen Studien:
Biomarker-und Immunisierungsstudien
Behandlungsstudien
Beobachtungsstudien