Forschung

In der Arbeitsgruppe Hensel beschäftigen wir uns mit der Spinalen Muskelatrophie (SMA), einer seltenen neurodegenerativen Erkrankung, die hauptsächlich Säuglinge und Kinder betrifft. Diese Erkrankung wird durch einen Mangel eines Proteins, des sogenannten Survival of Motor Neuron (SMN) Proteins verursacht. In der Folge gehen spezialisierte Nervenzellen im Rückenmark zugrunde. Diese Motoneurone steuern normalerweise die Muskeln an, so dass SMA Patient:innen an Muskelschwäche und Muskelschwund leiden – die Erkrankung verläuft bei Säuglingen und Kleinkindern häufig tödlich. Die Erkenntnisse aus der Erforschung der SMA nutzen wir auch für andere Erkrankungen. Dazu gehören verwandte Motoneuron-Erkrankungen wie die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), aber auch Erkrankungen nicht-neuronaler Natur, wie einige Formen von Krebs.

Schwerpunkte:

Die SMA wird vererbt und durch Deletionen eines einzigen Genes, des Survival Motor Neuron 1 (SMN1) Gens verursacht. Dies verringert die Menge des SMN Proteins. Der genaue molekulare Mechanismus, der zur Degeneration der Motoneurone führt, ist jedoch unbekannt. In vorangegangenen Studien konnten wir in verschiedenen SMA-Modellen ein molekulares Netzwerk von veränderten Proteinen identifizieren. Ein Molekül, B-Raf, befindet sich im Zentrum dieses Netzwerkes und ist möglicherweise entscheidend an der Degeneration der motorischen Neurone beteiligt. B-Raf kann in Nervenzellen neurotroph wirken – d.h. es verhindert den neuronalen Zelltod. Dieses neurotrophe Potential wollen wir auch für andere neurodegenerative Erkrankungen nutzbar machen. Das Projekt wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Das SMN-Protein wird nicht nur in den Motoneuronen hergestellt, sondern in allen Zellen des Körpers. Ein Mangel des SMN Proteins in SMA-Patient:innen führt daher zu zahlreichen Störungen der peripheren Organe. In SMA-Modellen zeigt sich ein gestörter Glukosemetabolismus verbunden mit morphologischen Veränderungen im Pankreas. Das Pankreas ist verkleinert und die verschiedenen Zelltypen der pankreatischen Inseln sind verändert. Die molekularen Mechanismen dieser Veränderungen sind jedoch unbekannt. Welche Funktion hat das SMN Protein in den Langerhans‘schen Inseln bzw. im exokrinen Pankreas? Kann ein Zuviel an SMN auch schädlich sein? Diese Fragen überprüfen wir in pankreatischen Zelllinien und in Modellen des Pankreas-Karzinoms.

Mit Zolgensma® gibt es seit Mai 2020 eine zugelassene Genersatztherapie für die SMA. Dabei handelt es sich um ein Adeno-Assoziierten Virus (AAV), welches so verändert wurde, dass es die Herstellung des SMN-Proteins in den Zellen der Patient:innen anregt. Obwohl die Therapie sehr gute Erfolge zeigt, ist die Erkrankung nicht geheilt, denn nicht alle Patient:innen sprechen auf die Therapie im gleichen Maße an. Welche Organe sind neben den Motoneuronen besonders betroffen? Wie gut können sich welche Organe durch die Therapie regenerieren? Diese Fragen bearbeiten wir im Rahmen eines durch die europäische Patient:innen-Organisation SMA-Europe geförderten Projektes.

Ähnlich wie die SMA gehen auch bei der ALS die Motoneurone zugrunde. Es sind viele verschiedene Gene beteiligt u.a. SOD1, TDP-43, C9ORF72, FUS oder PFN1. Die detaillierten Mechanismen sind bis heute jedoch unbekannt. Neben der Muskelschwäche sowie einer darauffolgenden Muskelatrophie, sind Proteinaggregate innerhalb der Motoneurone ein gemeinsames Merkmal. Doch wie verursachen diese Aggregate die Degeneration der Motoneurone? Und hat B-Raf etwas damit zu tun? Ist es möglich, durch die Manipulation von B-Raf und seinen nachgeschalteten Signalproteinen den Krankheitsverlauf zu verlangsamen oder anzuhalten? Mit einem breiten molekularbiologischen und biochemischen Methodenspektrum arbeiten wir an der Beantwortung dieser Fragen.