Darmkrebs in Subsahara-Afrika: Fehlende Grundversorgung kostet Leben

Es ist eine Szene aus dem Operationssaal erkennbar. Im Vordergrund ist der Hinterkopf einer Person in Schutzkleidung scharf fokussiert. Im Hintergrund sind unscharf mehrere Personen am OP-Tisch erkennbar.

Angesichts der Studie betonen die Autor:innen die Notwendigkeit, die Behandlungsmöglichkeiten in Subsahara-Afrika zu verbessern. (Symbolbild)

Die meisten Menschen mit Darmkrebs erhalten in Subsahara-Afrika keine oder nur eine mangelhafte Behandlung, obwohl dieser therapierbar wäre. Dabei ließe sich die Lebenserwartung vieler Betroffener bereits mit einfachen Maßnahmen erheblich verbessern. Das zeigt eine neue Studie im JNCCN - Journal of the National Comprehensive Cancer Network, die von der Universitätsmedizin Halle gemeinsam mit der American Cancer Society und internationalen Instituten durchgeführt wurde. Hierfür wertete das Team die Daten von 653 Personen mit einer Darmkrebsdiagnose aus. Angesichts der steigenden Fallzahlen und niedrigen Überlebensraten in der Region betonen die Autor:innen die Notwendigkeit, Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern.

„Ziel unserer Studie war es herauszufinden, inwiefern eine Grundversorgung bei Darmkrebs in Subsahara-Afrika stattfindet und wie stark der Therapieeffekt hinsichtlich der Überlebensraten ausfällt“, erklärt Lucia Hämmerl, Erstautorin der neuen Studie und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgemeinschaft Global Health an der Universitätsmedizin Halle. Um angemessene Entscheidungen für Therapien zu treffen, orientiert man sich an Leitlinien. Die Optionen hängen dabei vom verfügbaren Personal und der Infrastruktur ab und unterscheiden sich weltweit stark voneinander. „Unser Fokus lag auf angepassten Darmkrebs-Leitlinien, die die Umstände in Subsahara-Afrika berücksichtigen“, so Hämmerl.

Die Analyse schloss 653 Personen mit einer Darmkrebsdiagnose aus elf populationsbezogenen Krebsregistern ein. In 356 Fällen (55 %) waren zusätzliche medizinische Informationen verfügbar. Davon wurde bei 262 Personen nicht-metastasierter Darmkrebs (Stadium I-III) und bei 94 Personen metastasierter Darmkrebs (Stadium IV) dokumentiert. Nur acht Personen (3 %) mit nicht-metastasierten und potenziell heilbarem Darmkrebs erhielten eine leitlinienkonforme Behandlung, über die Hälfte eine abweichende und mehr als ein Drittel gar keine Darmkrebstherapie. Das resultierte in einer bis zu 3,5-fach höheren Sterblichkeitsrate innerhalb der untersuchten Regionen. „Bei Personen mit fehlenden medizinischen Informationen ist davon auszugehen, dass die meisten keine angemessene Behandlung erhalten haben und deshalb keine klinischen Daten erhoben wurden. Bei den restlichen Personen fiel die Überlebensrate deutlich besser aus, wenn die Leitlinien eingehalten oder nur leicht davon abgewichen wurde. Allerdings erfolgte das in nicht einmal jedem zwanzigsten Fall, obwohl eine adäquate Grundversorgung auch ohne Hightech und hohe Kosten möglich ist“, so Hämmerl.

Eine Ungleichheit werde außerdem im internationalen Vergleich deutlich. Dazu wird der Index für menschliche Entwicklung (Human Development Index, HDI) herangezogen, der Lebenserwartung, Bildung und Einkommen berücksichtigt. Es zeigt sich, dass die Sterblichkeitsrate von Darmkrebs-Erkrankten in Ländern mit niedrigem HDI wie Äthiopien, Mali oder dem Kongo um zwei Drittel erhöht ist, im Vergleich zu Ländern mit mittlerem HDI wie Namibia oder Kenia. „Die von uns festgestellte Kluft zwischen den Empfehlungen der angepassten Leitlinien und den tatsächlich durchgeführten Therapien ist alarmierend, insbesondere bei Patient:innen mit potenziell heilbarem Darmkrebs. Angesichts der alternden Bevölkerung in Subsahara-Afrika und der steigenden Häufigkeit von Darmkrebserkrankungen ließe sich bereits durch einfache Maßnahmen viel Leid vermeiden. Die entsprechenden Strategien sind vorhanden“, erklärt Prof. Dr. Eva Kantelhardt, Co-Autorin der Studie und Leiterin der AG Global Health an der Universitätsmedizin Halle.

„Es ist sehr wichtig, dass vor allem Chirurg:innen weitergebildet werden, um die radikalen onkologischen Operationen durchzuführen. Deutsche Krankenhäuser können in einer Partnerschaft zur Weiterbildung von Fachpersonal aus afrikanischen Ländern beitragen. Beispielsweise wurden für die gynäkologische Onkologie, wo eine vergleichbare Problematik besteht, schon viele Kolleg:innen aus Äthiopien an der Universitätsmedizin Halle operativ ausgebildet“, so die Expertin für Gesundheitsversorgung im internationalen Vergleich. Im Rahmen des BMBF-geförderten Forschungsnetzwerks NORA ist geplant, die Studie zu wiederholen und den bisherigen Daten gegenüberzustellen.

Originalpublikation:

Hämmerl L. et al. Treatment and Survival Among Patients With Colorectal Cancer in Sub-Saharan Africa: A Multicentric Population-Based Follow-Up Study. J Natl Compr Canc Netw. 2023 Sep;21(9):924-933.e7. doi: 10.6004/jnccn.2023.7041.

Weitere Informationen zu den untersuchten Leitlinien:
auf Englisch, Colon and Rectal Cancer: Harmonized Guidelines (nccn.org)